"Ich möchte ein Gewölbe bauen" sagte Reto Kradolfer zu den Architekten Harder und Spreyermann.
Das Gipserunternehmen Kradolfer aus Weinfelden ist bekannt für seine Expertise in historischen Putzen und seine Experimentierlust. Unternehmer und Architekten arbeiteten bereits früher zusammen.
Im Neubau eiszueis von Kradolfer sollte das Gipserhandwerk zum architektonischen Konzept gehören.
Die Gestaltungsmöglichkeiten mit Verputz werden da zu einem Stück Erfahrungsarchitektur. Es geht um Oberflächenstruktur, Farbe, Akustik und - inspiriert vom Gewölbe - die Rundung.
Im Hauptraum, dem multifunktionalen Forum, leitet die doppelt gekrümmte Decke den Besucher zum Musterregal.
Das Gewölbe wurde aufwendig als eigene Schicht in den Massivbau eingebaut.
Das lässt Ideen aufblitzen zum leidigen Thema der trennnenden Dämmschicht. Dem ausgeklügelt komponierten Forum, bei dem sogar Türrahmen und Lampen leise im Gips verschwinden, wird die rohe Werkstattwelt gegenübergestellt. Eine Enfilade verbindet die Entwicklungswerkstatt mit dem Ausstellungsraum und führt weiter zum würdevollen Treppenaufgang. Auf diesem Pfad wartet jeder Raum mit einer bewusst gestalteten Akustik auf. Während die Haupträume in eine feine, helle Kalkbeschichtung gehüllt wurden, wählten die Erbauer für die Nebenräume dunklere Nuancen. Abgerundete Ecken reflektieren auch in diesen Räumen angenehm das Licht.
Ein grober Kellenwurfverputz an der Aussenfassade gibt dem Bau eine leicht urchige Präsenz und kehrt die Bossierung des Erdgeschosses um.
Das Spiel mit den Putzen wird im zeitgleich renovierten Sitz des Unternehmens weitergeführt.
Wer das Gebäude durchschreitet, erfährt ganz nebenbei deren Aufbau: Das Tenn zum Werkhof erhielt nur einen Grundputz, bereits bestehende Wände zusätzlich den Ausgleichsputz. Nur neu eingesetzte Wände rundet die Bauherrschaft mit Deckputz ab. Ein 1:1-Modell, ein Experimentierlabor, ein gebautes Lehrbuch.
"Das Handwerk gibt der Architektur eine zusätzliche Dimension", sagt Regula Harder.
Wenn man im hallenden Treppenhaus die Hand auf das Geländer legt und diese von der perfekten Passung umschmeichelt wird, dann versteht man die Aussage der Architektin.
Stéphanie Hegelbach, Hochparterre Zeitschrift für Architektur, Planung und Design / Auszug aus Ausgabe 6-7/19